Wer Romina Abates Ausstellung am Ende ihres Stipendiums in Willingshausen sehen will, muss ein Hindernis überwinden – wie es die Künstlerin im Laufe ihres dreimonatigen Aufenthaltes in der Schwalm so manches Mal getan hat. Dann findet er sich in einer Art Labor wieder, einem Ensemble künstlerischer Versuchsanordnungen, einem Raum, der wie die Momentaufnahme eines Wahrnehmungs- und Denkprozesses ist. Wo hier Anfang und Ende sind, ist zunächst nicht auszumachen. „Das Meer hat viele Ufer“.
Romina Abate hat alle Hindernisse genommen, sich umgesehen und die Gegenstände ihrer neuen Umgebung zum Ausgangspunkt künstlerischer Prozesse, zum Motiv und Thema ihrer Arbeit gemacht. Das begann in den Regalen ihres Domizils, dem „Hirtenhäuschen“, wo sie in den Büchern aus dem Nachlass der Tochter des Willingshäuser Malers Wilhelm Thielmann das Foto einer Birken-Allee fand. Im Atelier waren es die Staffeleien der Hobbymaler/innen, die sie provozierten. Diese beiden Fundstücke in Beziehung zu setzen und zu beobachten, wie dabei Bildsprache und Bild, Sinn und Bedeutung entstehen, war ihre erste in Willingshausen entstandene künstlerische Arbeit – und kann durchaus exemplarisch genommen werden für ihre künstlerische Methode.
Romina Abate aber ist jeder Zustand ihres Arbeitens ein „Werk“. Ein wichtiger Teil ihrer Zeichnungen sind deshalb Entwürfe von möglichen Anordnungen ihrer Versatzstücke zu Installationen. Diese sind dann selbst endgültig entschiedene und zugleich „nur“ mögliche Anordnungen. Meist greift sie dabei zur Foto- und Videokamera, um zu untersuchen, wie es zu einer ästhetischen, d.h. formalen wie inhaltlichen Schlüssigkeit kommt. Diese Bilder macht sie selbst wieder zu einem Teil Ihres Werkes. Auf diese Weise nimmt sie verschiedene Betrachter-Perspektiven vorweg und baut sie in ihre Fragestellung und Argumentation ein.
„Was ist das was ich sehe? Wie verändern sich Dinge und Bedeutungen, wenn sie in Beziehung treten, arrangiert, montiert werden? Welche Argumentationsweisen nutze ich dabei?“ fragt sie sich und versteht das auch als erkenntnistheoretische und philosophische Fragestellung. „Ich betreibe begriffliche Untersuchungen, immer daran interessiert, Bilder, Zeichen zu erfinden und Begriffe zu weiten und zu hinterfragen, zu zitieren, zu kommentieren und Beziehungen herzustellen“.
So verdeckt z.B. eine farbige Fläche, die von einem langen Stab gehalten wird, ihren Kopf. Den ersetzt sie durch eine einfache Form, die plötzlich zu einem Pferdekopf wird. Sie zieht die Knie an, stampft mit den Füßen auf und ist selbst ein Pferd. Sofort werden die beiden Tisch-Böcke hinter ihr zu Hindernissen für einen Springreiter und die Bücher auf der Platte ebenfalls – oder zu einem Streitwagen über das, was in den Büchern zu sehen und zu lesen ist.
Für Romina Abate also steht alles auf dem Spiel: Form, Inhalt, Bedeutung, Wert, Konvention und Irritation. Die Gleichzeitigkeit von Möglichem und Unmöglichem ist die künstlerische Freiheit, die sie sich nimmt.
Text: Bernhard Balkenhol
Bild: Romina Abate
www.romina-abate.de