Kunsthalle Willingshausen
100% Geil Art
Skulpturenpark Mitteldeutschland
„Skulpturenpark Mitteldeutschland“, wie Daniel von Bothmer seinen Willingshäuser Raum nennt, ist nicht ein Gelände voller Kunstwerke, sondern der mentale Bestand an „Welt-Bildern“, denen die Betrachtenden/Benutzenden sowieso alltäglich ausgesetzt sind. Sie werden als schräge Zitate ins Bewusstsein gestoßen und gleich auch über Smileys und andere Emoticons – mehr oder weniger – positiv kommentiert. Deshalb sind sowohl die Medien als auch die Formen (im Sinne Niklas Luhmanns) so marginalisiert – oder sogar diskriminierend benutzt, dass man sie kaum „ins Auge“, d.h. den rational arbeitenden „Kopf“ nehmen mag, sondern gleich mit dem ganzen Körper, der ganzen Person reagiert. Spontanes Stutzen und Sich-Wundern, befreiendes Lachen, unmittelbares geschmackliches bis ethisches Unbehagen, etc. sind die Folge.
Was heißt das konkret auf die Arbeit Daniel von Bothmers in der Kunsthalle Willingshausen bezogen?
Im Ausstellungsraum steht ein aufblasbares Pferd, genauer gesagt – und deutlich zu sehen, ein Hengst, den Daniel von Bothmer entworfen und in China produzieren lassen hat. Obenauf sitzen zwei rosa Bärchen, wie man sie in der vorherrschenden Wurstkultur der Schwalm kennt, je eine Farbpalette in den Vorderfüßen, zwei kleine „Malerfürsten“ also. Der Hengst steht auf einem Wagen und weist ihn als überdimensionales Spielzeug aus. Das Ensemble sieht aus wie ein Reiterstandbild, ein Denkmal, das in bunten Plastikfarben das berühmte Trojanische Pferd aus der Antike zitiert. Hinter dem Hengst und vor der Bühne ist eine zweite „Blumeninsel“ platziert. Wie ein ausgeschnittenes Beet im Vorgarten enthält sie eine elektrische Eisenbahn, die mit zwei Lego-Platten-Anhängern um einen Sonnenuntergang fährt. Geladen hat sie je einen Flatschen Insel mit einem Affen unter einer kläglichen Palme.
Der gesamte Raum mit seinem Oberlicht und der sichtbaren Deckenkonstruktion wird zum Festzelt. Die Front bespielen symmetrisch zwei gespiegelte, scheinbar identische, wandfüllende Banner, überschrieben mit „100 %“ und „Geil Art“. Die Bilder zeigen einen Frauenkopf in Tracht (Willingshausen ist „Rotkäppchen-Land“) und eine Hand mit Palette, auf der eine fröhliche Sonne hinter einer Wolke über grünem Land auf ein Bockwurst-Monument strahlt. Auf der Stirn und im Gesicht wie kleine Kommentare liest man links und rechts verteilt Beschriftungen wie „Der Eintritt ist frei“ / „Der Austritt ist frei“, „Märchenland Deutschland“ / „Fantasieland BRD“, „schlachtwarm präsentiert“ / „P.P.O.E. – Pure Power Of Everything“ oder „Wie geil ist das denn?“ / „Geiler wird’s nicht!“. Dazwischen, als Bühnenhintergrund gleichsam, ein Smiley aus in Keramik gefertigten Farbpaletten, rechts und links flankiert von einer Büro-Palme. Der gesamte Raum wird überspielt von einer säuselnden Computerstimme, die wie Werber*innen bei Schaustellenden die Besucher*innen immer wieder in Schleifen ins gelobte Land einlädt, im Wechsel mit Elvis Presleys „Always on my mind“ in einer (japanischen) Piano-Instrumental-Version.
„die neue malerei ist niemals analyse von umständen, die neue malerei ist ein zustand, der umstände schafft.“, schreibt Daniel von Bothmer in seinem 20 Seiten langen Manifest „the power of painting“, Kassel, 2017 (aus dem auch die weiteren Zitate entnommen sind). Sein Interesse ist, weder Abbildung oder Spiegelung noch Analyse zu betreiben oder eine „kritische Auseinandersetzung“ zu führen. Es ist eher ein Spiel, die parallel existierenden und konkurrierenden Systeme mit künstlerischen Mitteln ineinander laufen zu lassen, ohne Logik oder politische Agitation. Sein Pathos ist die absurde Behauptung, dass das, was über ein Produkt, eine Meinung oder Haltung gesagt wird, auch das und nur das ist, was sie ist. Man könnte das Realsatire, Pornografie – oder Humor nennen.
Text: Bernhard Balkenhol
Bild: Daniel von Bothmer
Video: Skulpturenpark Mitteldeutschland