Schnaps oder ChopinJanosch Feiertag8.10.7.11.2021

Kunsthalle Willingshausen

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Eine seltene Symbiose aus Kunst und Kultur im Allgemeinen, Willingshäuser Dorfkultur im Besonderen geht Janosch Feiertags Ausstellung in der Kunsthalle Willingshausen ein. Der 52. Stipendiat hat in dem Malerdorf nicht nur gewohnt, sondern hier gelebt – dies hat unverkennbare Spuren in seiner Schau „Schnaps oder Chopin?“ hinterlassen.

„Vivat hoch die Malerei, und ein Schoppen sei dabei“ – es lebe die Kunst und das Feiern. So wie Feiertag das alte Blechschild am einstigen Eingang des Willingshäuser Malerstübchen künstlerisch adaptiert hat, so ähnelt der Flyer zur Ausstellung einem Kirmesplakat: Schwälmer Hännes trifft auf Haaßebier: „Schnaps oder Chopin (Schoppen)?“

Wer die Kunsthalle Willingshausen betritt, fühlt sich sogleich mitten im Ort. Von der Decke hängt ein Himmel aus Würsten herab – die bunten, mit Schafwolle ausgestopften Plastikdärme hat Feiertag gegenüber in der ehemaligen Metzgerei Bechtel gefunden, als er dort eine temporäre Cocktailbar einrichtete. Unter den Würsten fällt der Blick auf ein großes grünes Tor, wie man es von vielen Scheunen der Schwalm kennt. Das rechte Flügel des Tors öffnet den Blick ins Malerstübchen – auf geradezu verblüffende minimalistische und zugleich schelmische Weise stellt Feiertag so einen Bezug zu Historie und Gegenwart dar.

Ein Astloch im Tor dient als Guckloch – dahinter sind die Zellaer Kirmesburschen zu sehen, wie sie mit dem Pferdewagen durch Willingshausen ziehen. Da hatte Feiertag zur rechten Zeit die Kamera zur Hand.

Feiertag hat viele entdeckt bei seinem dreimonatigen Aufenthalt in Willingshausen und schärft mit der Distanz des von außen Kommendem auch den Blick der Besucher. „Wie Sticker“, so Kurator Heiner Hoffmann, hängen seine Bilder an den Seitenwänden.

Hinter dem Tor zur Linken portraitiert Janosch Feiertag das Willingshäuser Reiterstübchen mit einem Tisch, darauf sorgfältig aufgestellte Schlitzer Urkorn-Fläschchen – Schnaps eben. Hier im Clubhaus der Willingshäuser Reiter hat Feiertag Horst Haber kennen gelernt. „Er hat sich unheimlich Mühe gemacht, das Dorf kennen zu lernen“, sagt der Willingshäuser über den Kunststipendiaten.

Dies bescheinigte in seiner Laudatio auch Heiner Hoffmann dem 34-Jährigen anerkennend, der in Kassel visuelle Kommunikation studiert hat: „Feiertag hat sich mit Unbekümmertheit in Willingshausen überraschen lassen.“ So ist es dem jungen Vater in der überaus sehenswerten und teils amüsanten Ausstellung mit viel verstecktem Witz gelungen, Willingshausen, der Schwalm und darüber hinaus einen künstlerischen Spiegel vorzuhalten, der ein Gefühl von Heimat aufkommen lässt und doch etwas Neues schafft.

Text: Kerstin Diehl
Bild: Janosch Feiertag, Roswitha Bechtel, Jürgen Gemmerich