FINISSAGE
Sonntag 9. Juni 2024 um 15 Uhr
Was fühlen Steine? Was denken sie? Haben sie eine Erinnerung oder zieht die Welt einfach unbemerkt an ihnen vorbei? Diesen Fragen geht Evelyn Roh mit ihrer Ausstellung „Sentiment of Sediments“ auf den Grund. Denn das Thema, mit dem sie für ihr dreimonatiges Stipendium nach Willingshausen kam, waren von Anfang an die Wippersteine bei Merzhausen und ihre sagenumwobene Geschichte.
Geschichten zu diesen Steinen hört man viele. Blut soll an ihnen gefunden worden sein, das darauf hindeutet, dass auf ihnen einst Opferungen durchgeführt wurden. Auch sollen sich hier Hexen getroffen haben. Lange waren die Steine deshalb ein Ort, vor dem man sich fernhielt. So kam es dann auch, dass sie wiederum als Versammlungsort genutzt wurden von jenen, die sich nicht so einfach in der Geselligkeit einer Bierstube treffen konnten.
Evelyn Rohs Ansatz war es sich mit der Geschichte der Wippersteine auseinanderzusetzen und zum weiteren Spekulieren einzuladen. Und so erzählt sie die Geschichte eines jungen Steins, der sich einst von seiner Familie, der Gesteinsformation der Wippersteine, losgesagt hatte und sich aufmachte sein eigenes Leben zu leben. Ihre Videoarbeit zeigt den Moment der Rückkehr zur Familie, die sich über all die Jahre nicht vom Fleck bewegt hat. Der gedeckte Tisch lädt den lang vermissten Rückkehrer zum Austausch ein über das, was in der gegenseitigen Abwesenheit passiert sein mag. Der Tisch und auch die Teller sind aus Papier. Dem Kinderspiel „Schere, Stein, Papier“ entsprechend ist Papier das absolute Gegenteil von Stein. Papier wickelt Stein ein und Papier gewinnt. Evelyn Roh entschied sich dafür den eingedeckten Tisch mit Papier zu umhüllen, um der Lebendigkeit, die die Steine umgibt, Ausdruck zu verleihen. Die papiernen Teller wehen im Wind und machen ihn dadurch sichtbar.
Neben den Gefühlen, die Steine haben, lässt der Titel „Sentiment of Sediments“ auch an die Gesteinsschichten denken, aus denen sie selbst bestehen. Sie speichern Schicht für Schicht die materiellen Informationen ihrer Umwelt, die sich über Jahrmillionen ablagern. Diese Idee der Sedimentierung holt Evelyn Roh in den Ausstellungsraum. Für ihre Installation legt sie Zeichnungen in Dachrinnen und erinnert so an die Dinge, die sich dort normalerweise ablagern und hier nur für kurze Zeit, bis die Verstopfung zur Reinigung zwingt, eine ephemere Geschichte der alltäglichen Sedimentierung erzählen.
Evelyn Roh (*1998) ist in München geboren und wird in diesem Jahr ihr Studium an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach abschließen. In ihrer künstlerischen Praxis schafft sie Installationen aus Video und Sound zusammen mit Skulpturen und Zeichnungen. Die Kombination dieser unterschiedlichen Medien und die Möglichkeit sie zusammenwirken zu lassen ist dabei für sie von besonderer Wichtigkeit.